Im Juni 2023 lädt die Wiener BURN-IN Galerie Kunst- und Literaturliebhaber zur feinsinnigen Ausstellung Blumen bluten nicht ein. Dabei trifft Ellen Semens eigenständige Malerei auf Kirstin Breitenfellners aufrüttelnde Gedichte. Diese gelungene Symbiose aus Bildern und Worten lässt eine provokative Atmosphäre rund um die Themen Krieg und Sterblichkeit in den atypischen Kunsträumen entstehen. Der Krieg und die Endlichkeit des menschlichen Lebens gehören für Breitenfellner zu dessen „Sterblichkeitsgewichten“. „Aber der Tod ist auch ein Konstituens des Lebens. Er vereint die Menschen, indem er sie gleichzeitig entzweit, so wie der Krieg. Auch der Tod treibt die Menschheit vor sich her durch die Angst, die er gebiert. Der Krieg ist das Elixier des Todes. Aber der Tod ist auch gleichzeitig das Elixier des Lebens. Ein Paradox“, meint Breitenfellner zu ihren Gedichten.
Genau diesen Themen widmete sich Semen vor nahezu 20 Jahre im Werkzyklus Florale Militanz. Florales und Kriegerisches vermischen sich hier zur farbexplosiven Symbiose. Die vordergründig positiv anmutende figurative Malerei verschafft sich mit idyllischen Szenerien der Natur unvermittelt Zutritt in die Köpfe der Betrachter. Doch ihre Protagonisten scheinen voller Aggression und Hinterhältigkeit. Semens Bildfläche als Schauplatz des Krieges bleibt, manchmal sehr konkret, manchmal versteckt und unterschwellig inszeniert, immer in den Lebens- und Kraftraum Natur eingebettet.
Blumen bluten nicht. Sie blühen, ihre Knospen öffnen sich, ihre Farben und Düfte entfalten sich. Ihre zarten Blütenblätter, von einem Hauch Leben umschmeichelt, öffnen sich der Welt, enthüllen ihre tiefste Essenz und erinnern an die eigene Vergänglichkeit. Sie offenbaren uns eine Wahrheit, die wir manchmal zu verdrängen suchen.
Ellen Semen und Kirstin Breitenfellner bescheren den Besuchern mit der Ausstellung wunderbare Momente des Innehaltens.
Kuratiert wurde die Ausstellung von BURN-IN Gründerin Sonja Dolzer.
Vernissage & Programm
BURN-IN lädt zur Ausstellungseröffnung am 28.06.2023, 17-19 h.
Location
BURN-IN Galerie im Gerngross 2. OG | 1070 Wien, Mariahilfer Straße 42-48
#KunstTRANSFER
Die Kunst des Ausdrucks: Wenn Literatur und Malerei gemeinsam neue Welten erschaffen
Ellen Semen stellte mir die Autorin Kirstin Breitenfellner vor einigen Monaten im Rahmen unserer Ausstellung SuperCyber[wo]man vor. Bald danach entstand die reizvolle Idee, Semens Malerei mit Breitenfellners Lyrik zu verschmelzen — Projekttitel: wir leben und dann sind wir tot. Für mich auf den ersten Blick ein „No na“-Statement, dessen Tiefe man erst bei näherer Betrachtung erkennt. Eine wichtige Parallele zu Semens Arbeiten tut sich auf. Auch hier erhält der Betrachter durch die schrittweise Decodierung der Bildinhalte eine Anmutung von dem Gezeigten. Der zeitliche Aspekt des Entstehens scheint für den harmonischen Zweiklang von Malerei und Lyrik keine Rolle zu spielen. Die Themen haben nach fast zwei Jahrzehnten noch immer erschreckende Relevanz. Breitenfellners 17 Gedichte korrespondieren untergründig mit Semens Arbeiten aus dem Werkzyklus Florale Militanz. Sie bieten für mich als Galeristin und Kuratorin die reizvolle Herausforderung, ein wunderbares Ausstellungsprojekt mit großer Tiefe zu entwickeln, das unseren Besuchern einen sensiblen multisensualen Zugang zu den Themen Krieg, Frieden, Leben, Tod, Vergänglichkeit, Menschlichkeit, Natur und Kultur vermittelt. Fokusthemen für BURN-IN seit Anbeginn.
Semen und Breitenfellner beschreiten mit dem präsentierten Dialog ein für sie neues Terrain. Aber die Interaktionen von Lyrik und bildender Kunst hat eine lange Tradition, beginnend in der Antike. Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke schufen Gemäldegedichte, in der zeitgenössischen Lyrik wären Jan Wagner, Marion Poschmann oder Thomas Kling zu nennen. Direkte Kooperationen gab es in der Wiener Kunstszene etwa zwischen Friederike Mayröcker und Maria Lassnig oder Linde Waber und von Ida von Szigethy mit Konrad Bayer, Barbara Frischmuth oder Margaret Kreidl.
Freuen Sie sich auf diese außergewöhnliche Schau! Der atypische Kunstraum im Gerngross bildet einen wunderbaren Rahmen und sensibilisiert unterschwellig zusätzliche Publikumsschichten abseits der klassischen Kunstkanäle — Stichwort Demokratisierung der Kunst.
17 Gedichte von Kirstin Breitenfellner
wir leben und dann sind wir tot
sterblichkeitsgewichte
